Putin scheitert im Kampf gegen Bürokraten
Eine Analyse von Uwe Klußmann
In der Außenpolitik agiert Wladimir Putin oft erfolgreich. Der korrupten Bürokratie gegenüber ist er hilflos, gestand Russlands Präsident in seiner Rede an die Nation ein. Dies und die Unterdrückung der Opposition könnten sein Scheitern bedeuten.
DPA/ RIA Novosti/ Government Press Service
Präsident Putin vor seiner Rede an die Nation: "Käufliche Mitarbeiter der Rechtsschutzorgane"
Manchmal sagt ein Seufzer mehr als viele Worte. Der russische PräsidentWladimir Putin trug im Kreml vor den Mitgliedern von Regierung, Staatsduma und Föderationsrat seine Jahresbotschaft vor. Dabei seufzte er leise, während er beklagte, dass Beamte aus der "sehr korrumpierten Sphäre" örtlicher Verwaltungen kinderreiche Familien daran hindern, kostenfrei Gemeindegrundstücke als Eigentum zu erwerben.
Welche dramatischen Auswirkungen die Korruption hat, deutete der Staatschef nur an, als er über wachsende "ethnische Spannungen" sprach. Da warnte er vor "käuflichen Mitarbeitern der Rechtsschutzorgane, die ein Dach für die ethnische Mafia bilden".Putin beklagte "administrative Barrieren" für Exporthändler, erwähnte "aufreibende Diskussionen" mit dem Finanzminister und mahnte die Staatsdiener, ihre Aufgaben "ohne Ausreden" zu erfüllen und Aufträge nicht zu "verwässern".
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Russland befindet sich in einer Stagnationsphase
Ein weiteres heikles Thema berührte Putin mit einem Aufruf zur "Ent-Offshorisierung" der Wirtschaft. Gemeint ist die Gewohnheit staatlicher und staatsnaher Firmen, sich Steuerzahlungen in Russland durch das Anmelden von Firmen auf sonnigen Offshore-Inseln zu entziehen.
Manche Zuhörer im Saal lächelten sich während dieser Redepassage verschmitzt zu, sie wussten sehr genau, welche profitablen Praktiken gemeint waren. Bei der "Ent-Offshorisierung" seien Ergebnisse bisher "wenig bemerkbar", klagte Putin.
An der Schwelle zum fünfzehnten Jahr seiner politischen Herrschaft ist dies das faktische Eingeständnis, dass der Staatslenker trotz seiner Zaren-ähnlichen Vollmachten gegenüber kleptokratischen Verwaltern weitgehend hilflos agiert. Die russische Gesellschaft befindet sich in einer Stagnationsphase. Selbst loyale Bedienstete staatlicher Einrichtungen, die Putin vor anderthalb Jahren wieder gewählt haben, fühlen sich mehr und mehr an die Krise der Sowjetgesellschaft am Ende der Herrschaft des Generalsekretärs Leonid Breschnew erinnert.
Zwar rief Putin zu einer "breiten gesellschaftlichen Diskussion" auf und zu mehr Kontrolle der Verwaltung durch die "Zivilgesellschaft". Und er bekannte sich - ein neuer Akzent - zur "Unterstützung der Bürgerrechtsbewegungen". Er äußerte jedoch keine Selbstkritik, was den repressiven Kurs gegen die außerparlamentarische Opposition im vergangenen Jahr angeht - inklusive des unseligen Urteils gegen die jungen Frauen von "Pussy Riot".
Geisel der Bürokratie
Putins Auftritt bestätigt, wovor der Moskauer Analytiker Michail Delagin schon vor zehn Jahren warnte: Der Präsident könne zur "Geisel der Bürokratie" werden. Putins Appelle vor den Beifall klatschenden Bürokraten im Georgjewski Saal des Kreml "nun endlich" den "technologischen Durchbruch" zu erreichen, werden vermutlich ebenso folgenlos verhallen wie frühere ähnliche Aufrufe.
Welche Gefahren die bremsenden Bürokraten heraufbeschwören, hatte Putin in seiner vorjährigen Rede an die Nation deutlich ausgesprochen: Wer den Fortschritt versäume, so Putin im Dezember 2012, werde in einer Welt sich verschärfender Konkurrenz "Outsider und verliert unvermeidlich seine Unabhängigkeit". In diesem Jahr hat er diese Warnung nicht wiederholt. Aktuell bleibt sie dennoch.
Maßvoll und pragmatisch äußerte sich Putin zur Außenpolitik, als wolle er Hitzköpfe zügeln. "Wir streben nicht nach der Bezeichnung Supermacht", so der Präsident. Als "reife, verantwortliche Großmacht" wolle Russland handeln, gemeinsam mit Partnern - wie bei der Beseitigung der syrischen Chemiewaffen und dem jüngsten Vertrag über das iranische Atomprogramm.
Amerikas Raketenabwehr-Pläne lösen in Moskau Alarm aus
Auch was die Ukraine angeht, sprach sich Putin für eine Zusammenarbeit mit der Europäischen Union aus. Dies zeigt, dass der Staatschef, der sich auch vom Geheimdienst regelmäßig detailliert über die Innen- und Außenpolitik der Ukraine informieren lässt, zu einer realistischen Einschätzung neigt. Er weiß offenkundig, dass die Ukraine in absehbarer Zeit weder der Eurasischen Zollunion mit Russland, Weißrussland undKasachstan geschweige denn dem von Moskau geführten kollektiven Militärpakt beitreten wird.
Mehr als eine punktuelle Zusammenarbeit der Ukraine mit der Zollunion kann Moskau derzeit nicht erreichen. Ein Eingeständnis, das Putin in die Worte fasste:" Wir drängen niemandem etwas auf". An einer Konfrontation mit der EU wegen der Ukraine ist Russland offensichtlich nicht interessiert.
Alarm lösen in Moskau aber die amerikanischen Pläne für eine Raketenabwehr aus. Diese seien "nur dem Namen nach ein Verteidigungsprojekt" und trügen "Angriffscharakter", so Putin. Die US-Raketenabwehr, so der Präsident, könne "das strategische Gleichgewicht der Kräfte" stören.
Bauen die Amerikaner die Raketenabwehr, heißt das, wird Moskau Gegenmaßnahmen ergreifen. Die Tür zu Verhandlungen mit den USA aber will Putin weiter offen halten. Internationale Konflikte, betonte er, sollten "ausschließlich mit friedlichen Mitteln" gelöst werden.
Dabei weckt Putin Erinnerungen an den deutschen Reichskanzler Otto von Bismarck. Außenpolitisch professionell und in vielem erfolgreich scheiterte der Eiserne Kanzler an Reformverweigerung in der Innenpolitik und einem repressiven Umgang mit der Opposition.
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